Viel Wind für nichts

Bisher waren private Windräder eher selten. Doch wer Windmüller wird, nutzt eine der ältesten Techniken und
macht sich von steigenden Energiepreisen unabhängig. So machen Sie Wind und Wetter zu Ihrem Freund.

Sie gehören zum klassischen Wes­­tern wie die Bohnensuppe aus dem Blechnapf oder die Prügelei im Saloon: die kleinen Windräder mit ihren vielen Rotorblättern, die sich quietschend im Präriewind drehen und die Farmer mit Energie versorgen. Mit dem Boom der erneuerbaren Energien erleben die Windräder im Miniaturformat heute eine Renaissance. Zwischen 3.000 und 5.000 Anlagen der Leistungsklasse zwischen einem halben und fünf Kilowatt sind hierzulande in Betrieb. In Großbritannien und den USA sind sogar mehrere zehntausend Rotoren auf Haus- und Scheu­nendächern, in Hinterhöfen und Gärten installiert. Sie alle erzeugen kostenlosen Ökostrom, der ins öffentliche Netz eingespeist, direkt vor Ort verbraucht oder in einer Batterie gespeichert werden kann. So verschaffen die Windräder ihren Besitzern Unabhängigkeit – von der Kostenentwicklung auf den Energiemärkten genauso wie von den Preisstrategien der Versorger.

Diese Unabhängigkeit wird allerdings durch eine andere Abhängigkeit erkauft: die von den Launen des Windes, der ja bekanntlich nicht immer weht, wie er soll. Wer mit dem Gedanken spielt, selbst zum Windmüller zu werden, sollte deshalb zunächst einmal prüfen, ob auf seinem Grundstück eher eine steife Brise oder ein laues Lüftchen weht. Der alte Kindertrick mit dem befeuchteten Zeigefinger in der Luft reicht dafür natürlich nicht aus. Aussagekräftiger sind die Windkarten, die der Deutsche Wetterdienst über das Internet zugänglich macht. Am zuverlässigsten ist allerdings, die Windgeschwindigkeit direkt vor Ort über einen längeren Zeitraum zu messen. Und zwar in der Höhe, in der die Rotoren später montiert werden sollen. Einfache Messgeräte sind bereits für weniger als hundert Euro erhältlich.

Liegt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit unter vier Meter pro Sekunde, lohnt sich die Investition in ein eigenes Windrad kaum. Ideal sind Standorte mit mehr als sechs Meter pro Sekunde. Allerdings sollten keine Gebäude oder Bäume im Weg stehen, die den Wind verwirbeln. Dies mindert den Ertrag und auch die Lebenserwartung der Anlage. Umgehen lassen sich solche Turbulenzen, indem das Windrad genügend Abstand zu den Hindernissen hält. Die Distanz sollte mindestens zehn Mal so groß sein, wie das Haus oder der Baum hoch ist. Zudem empfiehlt es sich, den Rotor auf einem Mast zu installieren, der doppelt so hoch wie das Hindernis ist, um nicht in die ungünstige Turbulenzzone zu geraten.

Höher, schneller, mehr Strom
Je höher das Windrad montiert ist, desto mehr Strom produziert es, da mit zunehmender Höhe der Wind stetiger und stärker weht. Deshalb überragen die großen Brüder der Windräder, die kommerziell betriebenen Windkraftanlagen, mit einer Gesamthöhe von bis zu 180 Meter heute sogar manchen Fernsehturm. Die Leistung eines Windrades ist proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Im Klartext: Mit jedem Meter Höhe steigt der Ertrag um ein Vielfaches. Nun können jedoch gerade in Wohngebieten die Masten nicht unendlich in den Himmel wachsen, denn sonst laufen die Nachbarn und auch das örtliche Bauamt Sturm. In einigen Bundesländern, etwa in Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt, haben die Behörden deshalb bei zehn Meter Höhe eine Grenze gezogen: Für alle Anlagen, die darüber hinausgehen, ist eine Genehmigung nötig. Fällt das Windrad kleiner aus, kann es ohne Bauantrag errichtet werden. Zumindest dann, wenn sich kein Nachbar gestört fühlt. Um Konflikte und auch einen möglichen Rückbau zu vermeiden, sollten die Windmüller also schon vor Baubeginn die Anwohner um Erlaubnis fragen.

Andere Bundesländer wie etwa Nordrhein-Westfalen verlangen dagegen für jede Anlage unabhängig von ihrer Größe eine Baugenehmigung. Darüber hinaus fordern manche lokalen Bauämter Gutachten, etwa zur Statik, zum Schattenwurf zur Lärmentwicklung oder sogar zu den Auswirkungen auf die Tierwelt der Umgebung – ein Atomkraftwerk zu errichten bedeutet kaum weniger Behördenaufwand, meinen manche, die den Parcours durch die Amtsstuben bereits absolviert haben. Allerdings könnten Windmüller in spe in Zukunft deutlich schneller an eine Genehmigung kommen, da mehrere Bundesländer, allen voran das windreiche Schleswig-Holstein, die Auflagen für die Errichtung eines kleinen Windrads zurückschrauben wollen. In jedem Fall gilt die Faustregel: Interessenten sollten unbedingt frühzeitig beim Bauamt vor Ort nachfragen, welche Vorgaben erfüllt werden müssen.

Vom Bastelbausatz bis zur Profianlage
Bei der Auswahl der Anlage haben die künftigen Stromproduzenten dann die Qual der Wahl: Während sich bei den großen Windkraftanlagen der horizontal gelagerte Rotor mit drei Flügeln durchgesetzt hat, konkurriert bei den Windrädern für den Hausgebrauch eine Vielzahl von verschiedenen Technologien miteinander. Welches System das geeignete ist, hängt davon ab, wie böig und mit welcher Geschwindigkeit der Wind weht, in welcher Höhe der Rotor montiert werden soll und wie viel Geld der Betreiber investieren möchte. Das Angebotsspektrum reicht vom Bastelbausatz mit wenigen Dutzend Watt Leistung bis zur Zwanzig-Kilowatt-Anlage mit einer Nabenhöhe von 25 Meter. Genauso vielfältig ist die Hersteller-Landschaft; mehr als hundert Anbieter tummeln sich auf dem Markt. Die größten Produzenten sind Bergey Windpower, Urban Green Energy und Southwest Windpower aus den USA sowie Fortis Wind Energy aus den Niederlanden. Zu den etablierten deutschen Anbietern zählen unter anderem Braun Windturbinen, Heyde Windtechnik, WES, Wipo, Superwind, Aircon, EasyWind, Tassa und SinusWind. Einen ersten Überblick über das Produktangebot können sich Interessierte auf dem unabhängigen Informationsportal www.kleinwindanlagen.de oder auf den Seiten des Bundesverband Windenergie (www.wind-energy-market.de) verschaffen. Auch die jährlich im März stattfindende Messe new energy in Husum bietet einen guten Überblick über den Markt.

Zudem empfiehlt es sich, spezialisierte Installationsbetriebe bei der Auswahl der Anlage hinzuzuziehen. Diese kümmern sich nicht nur um die sichere Montage der Anlage und geben Tipps für das Genehmigungsverfahren, sondern können auch die Qualität der Produkte sowie deren Eignung für den jeweiligen Standort beurteilen. Wer auf diese Unterstützung verzichten will, sollte darauf achten, dass das Windrad der Wahl von einer anerkannten Zertifizierungsgesellschaft wie dem Germanischen Lloyd geprüft worden ist. Die Experten untersuchen vor allem die Sicherheit der Anlage. Dabei nehmen sie unter anderem die Stabilität der Rotorblätter, das Betriebsführungs- und Sicherheitssystem und die Bauteilanschlüsse unter die Lupe.

Einspeisen lohnt nicht
Auch bei der Prognose der zu erwartenden Strommenge sind erfahrene Installateure eine wertvolle Hilfe. Denn die Herstellerangaben zur Nennleistung der Anlagen sind nicht immer aussagekräftig, weil sie mitunter Windgeschwindigkeiten zugrunde legen, die in der Realität nur an wenigen Tagen erreicht werden. Bei einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von fünf Meter pro Sekunde, wie sie an guten Standorten im Binnenland durchaus vorkommt, produziert eine Anlage mit einer Nennleistung von einem Kilowatt etwa 600 bis 1.200 Kilowattstunden Strom im Jahr. Bei küstentypischen sechs Meter pro Sekunde liegt der Ertrag schon bei 1.000 bis 1.600, unter besonders guten Bedingungen sogar bis 2.200 Kilowattstunden. Wer genug Windstrom produzieren will, um rechnerisch einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Bedarf von jährlich 4.000 Kilowattstunden zu versorgen benötigt also je nach Standort eine Anlage mit einer Kapazität zwischen drei und sieben Kilowatt. Pro installiertem Kilowatt müssen Windmüller mit Kosten von 3.000 bis 3.500 Euro rechnen – ein wenig mehr als für eine Photovoltaikanlage mit gleicher Leistung. In diesem Preis enthalten ist auch die Installation, der Mast sowie ein Wechselrichter, der den Gleichstrom, den die Windräder produzieren, in Wechselstrom umwandelt. Da die Kosten für Installation, Mast und Wechselrichter nicht proportional zur Leistungsstärke des Windrads steigen, sinken die Gesamtkosten pro Kilowatt Nennleistung mit der Größe der Anlage.

Wer den Strom ins öffentliche Netz einspeist, bekommt zurzeit fünf Jahre lang garantiert etwas mehr als neun Cent pro Kilowattstunde. Nach dieser Zeit wird der Betrag abhängig von der Menge des produzierten Stroms reduziert, unterschreitet aber nicht die Fünf-Cent-Marke. Die gleiche Vergütungsregelung gilt übrigens auch für die Megawatt-Anlagen, da im Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht zwischen privat betriebenen Minimühlen und den kommerziellen Windriesen unterschieden wird, obwohl die Anlagen für den Hausgebrauch im Verhältnis zur Leistung etwa doppelt so teuer sind wie die Großanlagen. Ein Drei-Kilowatt-Rotor produziert an einem windreichen Standort pro Jahr circa 4.200 Kilowattstunden Strom, was mit knapp 400 Euro vergütet wird – angesichts einer Investitionssumme von etwa 10.000 Euro kein gutes Geschäft.

Etwas anders sieht die Rechnung aus, wenn der Strom ins Hausnetz eingespeist wird, sodass der Windmüller weniger oder gar keinen Strom von seinem Versorger zukaufen muss. Gelingt es, den gesamten Windstrom selbst zu verbrauchen, lassen sich bei einem Strompreis von 22 Cent pro Kilowattstunde Energiekosten von etwa 920 Euro im Jahr einsparen. Der Anlagenbesitzer muss jedoch zusätzlich in eine Batterie investieren, um Flauten zu überbrücken. Die gesamte Investition hat sich nach ungefähr elf Jahren amortisiert, bei steigenden Strompreisen noch etwas früher. Allerdings sind in dieser Rechnung die Kosten für Wartung und Reparaturen nicht berücksichtigt. Mehr sparen kann derjenige, der mit seinem Windrad ein Gebäude mit Strom versorgen will, das nicht ans Netz angeschlossen ist, etwa ein Ferien- oder Gartenhaus, einen Stall oder eine Scheune. Denn er spart sich das aufwendige Verlegen von Leitungen zwischen dem Stromnetz und dem Gebäude. Und das gute Gefühl, seinen eigenen Ökostrom zu produzieren und nicht von einem Energieversorger abhängig zu sein gibt es für ihn wie auch für alle anderen Windmüller gratis dazu.

Der Artikel wurde von Ralph Diermann für das greenhome Magazin verfasst

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