Lauter laute Laute
Es wird immer lauter. Die Lärmbelastung und Geräuschbildung haben in den letzten Jahren eine neue Geräuschwelt entstehen lassen. Weltweit forschen Akustiker nach Wohlklängen, die ohne Nebenwirkungen ins Ohr gehen und so neue Klangszenarien schaffen.greenhome machte eine akustische Zeitreise und suchte nach künftigen Trends.
Die Schranktür gleitet wie mit dem satten Geräusch meiner Autotür ins Schloss und auch der Kühlschrank, dessen Betrieb nur noch durch eine grüne Leuchte angezeigt wird, gibt mir bei Störungen des Abtauvorgangs ein angenehm hörbares wasserplätscherndes Signal als Feedback. Selbst die neue Generation der Umlufthauben macht keine unangenehmen Geräusche mehr. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich an die neue Geräuschwelt ohne Lärm gewöhnen könnte, waren doch bisher laut hörbare Motoren oder Lüftergeräusche das Kennzeichen leistungsstarker Gerätetechnik. Die verbesserte Raumakustik und Schalldämmung lässt jetzt meine Wohnung weniger nachhallen und die Musik hört sich jetzt wie in einem Tonstudio an.
Doch halt! Hier gehen meine Visionen zu weit, denn nicht alles, was in der Technik akustisch sinnvoll erscheint, ist es auch, holt mich ein Kenner der Akustikbranche auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn in der Akustik – also Schallausbreitung – wirken viele Komponenten von der Bau-, Raum- bis hin zur Psychoakustik zusammen. Dennoch hat sich in den letzten Jahren einiges bewegt. Neue Entwicklungen in der Lärmbekämpfung ermöglichen mittlerweile durch aktive Akustikmaßnahmen eine neue Geräuschszenerie bis hin zu produkteigenen Geräuschen, Insider nennen dass Produkt-Sound-Design.
Die Raumakustik beschäftigt sich mit der Schallausbreitung in Räumen. Dabei wird beispielsweise die Verständlichkeit eines Sprechers in einem Theater oder die Klarheit von Musik im Konzertsaal oder Räumen betrachtet. Im Gegensatz dazu werden bei der Bauakustik die Schallübertragung und der Schallschutz zwischen Räumen wie beispielsweise die Schalldämmung von Wänden, Fenstern, Türen und Decken näher untersucht. In einem neuen Schallschutzausweis, entwickelt von Bau- und Raumakustikern der DEGA (Deutsche Gesellschaft für Akustik e.V.), sind einheitliche Kriterien im baulichen Schallschutz als ein von der Gebäudeart unabhängiges Anforderungs- und Bewertungssystem für Neu- und Altbauten festgeschrieben. Fehlerhafte Bau- oder Raumakustik kann für unangenehme Störgeräusche sorgen.
Personalisierte Wohnraumakustik
Die Wohnraumakustik, oftmals durch unangenehmen Hall bei ungünstiger Möblierung als unzureichend empfunden, wird durch kürzere Nachhallzeiten und die Vermeidung von starken Schallreflexionen verbessert. Das sorgt für eine noch bessere Sprachverständlichkeit, sowie ein deutlich hörbares besseres Klangerlebnis bei mehrkanaliger Lautsprecherwiedergabe und Großbildprojektionen. Messungen der Nachhallzeiten und Schallreflexionen in 19 Wohnzimmern ergaben beispielsweise Unterschiede zwischen normalen und akustisch optimierten Räumen. Die Beurteilungen erfolgten durch Abhörversuche, wozu ein Standard-Abhörraum
im Fraunhofer Institut IAB einbezogen wurde. Das Ergebnis: Das Wohnzimmer wird zum Medienzentrum mit neuen Perspektiven.
„Das Design dieser neuen Wohnräume schließt den Wunsch nach einem „persönlichen Wohlklang“ ein, der bei Wohnraumplanungen häufig nicht oder nicht genügend berücksichtigt wird. Es geht um das Arrangieren der Raumelemente nach natürlichen Gesetzen der Harmonie, wie sie u. a. aus der Lehre des Feng-Shui bekannt sind. Raumaufteilungen, Möblierung und Beleuchtung sowie Farben, Materialien, technisches Equipment und Konstruktionen werden zu einem „Positiven Energiesystem“ für die Bewohner“, führt Sabine Fischer, Interior Designerin der modern-life Akademie anlässlich einer Akustikertagung in Berlin aus.
Die Anforderungen bei der Geräuschentwicklung sind bei neuen Produkten in den letzten Jahren ständig gestiegen. Neben der Lärmminderung wird der Gerätesound zunehmend das Produktdesign maßgeblich beeinflussen. Dieser hat in den letzten Jahren im Haushalt und Wohnbereich teilweise unbemerkt Einzug gehalten und gilt für Markenhersteller als i-Tüpfelchen der Produktgestaltung und Schaffung von Wettbewerbsvorteilen. Klassische Produktbeispiele eines speziellen klanggeführten Wiedererkennungswertes sind der Sound der Harley-Davidson oder bestimmter hochpreisiger Autos, die am Anschlagklang der einrastenden Tür erkannt werden. Doch kamen diese „Ohrwürmer“ eher zufällig zu Stande wie aus der Fachwelt zu hören ist.
Geplant und mit einigem Aufwand bei Neuprodukten forschen Möbelhersteller heute an dem Klang der Zukunft, um eine akustische Note wie beispielsweise bei Bedienungsgeräuschen von Möbeltüren oder Schubladen, um durch besondere Dämpfung oder aktive Akustik neue Geräusche zu erzeugen. Ähnliche Trends sind auch bei der Hausgerätetechnik wie Waschmaschine, Staubsauger und Co. zu erkennen. Vor Jahren noch als Lärmquelle definiert, wurde die Geräuschbildung in den letzten Jahren weiter gesenkt und auf verschiedene Lärmszenarien abgestimmt. Akzeptanztests für einen kompletten Flüsterbetrieb bei Staubsaugern zeigten hier jedoch, dass der Kunde die Power hören will und einen fast lautlosen Saugbetrieb als Leistungsschwäche interpretiert. Dennoch befindet sich das sogenannte Akustikdesign für Haushaltsgeräte und Möbel im Vergleich zur Automobilindustrie erst in den Anfängen. Künftig dürfte die Entwicklung an Fahrt gewinnen, denn eine verbesserte Schalldämmung des Gebäudes hat auch den Nebeneffekt, dass Störgeräusche durch weniger Umgebungslärm in der Wohnung aktiver und störender wahrgenommen werden.
Leise Haushaltsgeräte sind gefragt
Die Geräuschwahrnehmung von Haushaltsgeräten ist von Umgebungsgeräuschen abhängig, wenn das subjektive Geräuschwahrnehmungsempfinden unbeachtet bleibt. Im Sommer bei geöffnetem Fenster wird der Staubsaugerklang anders wahrgenommen als bei geschlossenen Fenstern im Winter. Haushaltsgerätehersteller unterscheiden daher zwischen sogenannten aktiven und passiven Geräten: Ein Geschirrspüler zum Beispiel, der in der offenen Wohnküche (passiv) seinen Dienst verrichtet, während sich die Gäste im Wohnraum unterhalten, muss möglichst leise sein, um eben die Gespräche nicht zu stören. Ein Staubsauger, mit dem gerade (aktiv) gearbeitet wird, darf etwas lauter sein, da meistens keine Unterhaltung geführt wird.
Aber auch hier geht der Trend nach geringerer Lautstärke und einem angenehmen Geräusch (beispielsweise keine schrillen, hohen Töne). Zur Reduzierung des Arbeitsgeräusches bei Staubsaugern hat beispielsweise die Miele & Cie. KG eine Silence-Stufe integriert. „Ein weiteres Beispiel, wo wir auf die geänderten Anforderungen reagiert haben sind Waschmaschinen, die in Deutschland überwiegend im Keller stehen, sodass Geräusche hier weniger wahrgenommen werden. Aber Waschmaschinen hört man heute sowieso kaum, lediglich das Einlaufen und Abpumpen des Wassers. Wahrnehmbar ist das Plätschern des Wassers in der Trommel in Programmen mit hohem Wasserstand, ansonsten das Schleudern.
Da aber in vielen Ländern und zunehmend auch in Deutschland ohne Keller gebaut wird, ist die Waschmaschine immer häufiger in Wohnraumnähe zu finden, und wenn man – vielleicht aus Gründen des günstigen Strompreises – die Waschmaschine nachts laufen lässt, dann möchte man nicht in der Nachtruhe gestört werden. „Die Funktion Extra leise ist unsere Lösung für den Nachtlauf“, erklärt Reinhild Portmann aus der Miele-Presseabteilung auf Anfrage der Redaktion.
Sinfonie der Klänge
Wie bei elektrischen Rasierapparaten mit Klangunterschieden bei Mann und Frau, sind Produkte mit Wunschklangeffekt schon heute machbar. Selbst bei Lichtschaltern gibt es bei unterschiedlicher Installation auf einer Holz- oder Betonwand länderspezifische Klangabweichungen, welche durch eine akustische Optimierung aufgehoben werden können. Die Funktionsverknüpfungen bei Produkten von optischer Gestaltung und taktiler Anmutung sind heute in vielen Bereichen weitgehend ausgeschöpft. Das Gestaltungsmerkmal Sound ist im Vergleich mit sicht- und fühlbarem Design ein gleichwertiger Faktor geworden. Neben dem Duft, der die Emotionen direkt, intensiv und nachhaltig anspricht, ist Sound der einzig verbleibende neue Faktor, um Produkte attraktiver zu machen.
Seit der rasanten Entwicklung moderner Handys, Musikanlagen und akustisch optimierte Fahrzeuge sind Geräusche Ausdruck des Lebens und der Vitalität eines anspruchsvollen Produkts geworden. Lagen die Schwerpunkte in der Akustikforschung bisher im Automobilbau und Hausgerätesektor mit Betrachtung einzelner akustischer Szenen, verändert sich die Klangwelt und der Trend geht zur Gestaltung angenehmer, aufeinander abgestimmter Schalllandschaften sowie die Reduzierung des Lärms. „Die systematische Gestaltung der Schallqualität, Soundengineering und Produkt-Sounddesign haben in den letzten 14 Jahren weit über den Musikinstrumentenbau hinaus in Europa maßgeblich an Bedeutung gewonnen, erklärt der Psychoakustiker Dr. Friedrich E. Blutner.
Forscher tüfteln am Produkt-Sound der Zukunft
Informationen, die über unsere verschiedenen Wahrnehmungsorgane laufen setzten komplexe Zusammenhänge in einen Zusammenhang. Das ist eine grundlegende Funktion unseres Gehirns. Beim ertasten mit Fingerspitzen von rauem Papier oder Holzoberflächen hören die Hände mit, belegt eine Studie der TU Dresden. Geht es jedoch um neue Trends, ist kein raschelndes Papier oder kein „Pfeifen der Spatzen von den Dächern“ zu hören. Kenner der Branche bezeichnen das als Wettbewerbsvorteil der Hersteller, die im produkteigenen Klang neue Marktchancen sehen. Bei der Entwicklung neuer Produkte wird die Geräuschbildung und somit Feedbackfunktion eine wichtige Komponente einnehmen.
Um den künftigen Markt abzudecken, hat die TU-Dresden dazu den Studienplan erweitert und einen Fokus auf Akustik gesetzt. „Die Vorlesungen, die den Studenten angeboten werden, decken unterschiedliche Aspekte dieses interdisziplinären und vielseitigen Gebiets ab. Die wichtigen Schwerpunkte sind die Technische Akustik/ Fahrzeugakustik und Schall- & Schwingungsmesstechnik. In den Vorlesungen „Raumakustik“ und „Virtuelle Realität“ beschäftigen die Studenten sich mit der Schallübertragung und Schallwahrnehmung in Räumen und bekommen einen Überblick grundlegender Methoden und aktueller Technologien, die in Virtuellen Realitäten zum Einsatz kommen. Sie lernen Audioaufnahme und –Wiedergabetechnologien. Diese Kenntnisse sind gefragt bei der Erzeugung und Betreuung von z.B. Simulatoren in der Autoindustrie, Telekommunikationsbranche, Medizin oder Unterhaltungsindustrie.
In den Vorlesungen Psychoakustik/Sound Design werden praktische Fähigkeiten unterschiedlicher Arbeitsgebiete eines Akustikingenieurs erlernt. Die Studierenden beherrschen ingenieurwissenschaftlich fundierte Mess- und Analysemethoden, die zur hörgerechten Untersuchung von akustischen Signalen (Sprache, Produktgeräusche, Lärm usw.) angewendet werden,“ beschreibt Dr. Ercan Altinsoy, TUDresden, die Markttrends. Akustische Signale sind immer Träger von Information. So suggeriert beispielsweise das röhrende Geräusch im Fahrzeuginnenraum Sportlichkeit. Durch konstruierte akustische Signale werden Produkteigenschaften ins Ohr gesetzt. „Der Student ist befähigt Signale zu konstruieren, die – wenn sie zum Gehörten werden – bestimmte physische, affektive, kognitive oder psychomotorische Reaktionen hervorrufen. Die Anfragen aus der Industrie kommen jetzt bereits aus Branchen wie Fahrzeug-, Haushalt-, Medizintechnik und Unterhaltungsindustrie, fügt Altinsoy hinzu.
Möbel, die den Schall schlucken
„Projekte und Forschungen unterliegen meistens einer Geheimhaltung. Da noch nicht alle psychosozialen Klangaspekte und Zusammenhänge erforscht wurden, trägt der Hersteller bei der Produktentwicklung auch
ein Risiko. Eines ist aber jetzt schon abzusehen, die Stimme des Produkts wird bald eine immer größere Rolle für die Produktkommunikation spielen. So könnten künftig Möbeloberflächen mit mikroperforierter Oberfläche für eine bessere Schallabsorbtion in Räumen sorgen oder schallaktive Folien Naturgeräusche wie beispielsweise Vogelstimmen oder ein rauschen der Blätter nachahmen“, fügt Blutner leise an.
Auch wird es künftig keine Kühlschränke geben die als Warnsignal plätschernde Geräusche von sich von sich geben, denn der Mensch ist bei drohender Gefahr an eine aggressive unterscheidbare Akustik gewöhnt. Ein Feueralarm muss nun mal anders klingen als ein Fehler im Kühlschrank. „Dazu wird derzeit an komplexen akustischen Szenarien, weg von der Einzelbetrachtung und hin zum System, geforscht. Das schließt auch die Funktionsbetrachtung von Haushaltsgeräten in die akustische Wohnumgebung ein“, ist sich Psychoakustiker Blutner sicher.
Diesen Beitrag verfasste Uwe Manzke für das greenhome Magazin