Bauen mit der Sonne

Feng-Shui ist die Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung. Ein Prinzip, das sich auch auf das Verhältnis von Bauprojekt zur Sonne anwenden lässt. Wer die Sonne und ihre positive energetische Wirkung schon vor Baubeginn einplant, ist auf jeden Fall gut beraten. Unsere Tipps für Ihr Solar-Feng-Shui.

Dunkel, eng und klamm: Die niedrigen Kemenaten früherer Jahrhunderte sind Geschichte. Wer modern baut, strebt helle und luftige Räume an. Möglichst viel Licht und Sonne fluten ins Haus, um Körper und Geist zu beleben. Ein heller Morgen erleichtert den Start in den Tag, der Abend klingt im warmen Sonnenuntergang aus. Wer mit der Sonne baut, spart nicht nur Heizkosten oder sucht romantische Momente. Das Tageslicht und die natürliche Wärme der Sonnenstrahlung fördern die Gesundheit und Vitalität der Bewohner. „Die Bereiche im Haus, in denen das Leben tobt, sollte man durch große Fensterflächen öffnen“, rät Axel Jäger, Architekt aus Fritzlar bei Kassel. „Dort will man Sonne tanken.“

Der Mensch ist ein Kind der Sonne, über Jahrmillionen hat diese natürliche Quelle von Wärme und Licht seine Evolution geprägt. Um die Sonne ranken sich die ältesten Mythen, sie prägte Märchen und Religionen. Jedes Jahr im Winter findet eine kleine Völkerwanderung in den Süden statt, wo deutsche Urlauber zu den Sonnenstränden Spaniens oder Italiens streben. Wozu in die Ferne schweifen? „Natürlich muss man sich genau anschauen, wo das Haus steht und wie es ausgerichtet ist“, erklärt der erfahrene Architekt und Planer. „Bei uns in Nordhessen ist die Sonne eher Mangelware, wir haben häufig Wolken und graue Tage. Im sonnigen Baden-Württemberg kann man leicht zu viel Sonne abbekommen. Je mehr transparente Flächen das Gebäude hat, umso wichtiger ist der Sonnenschutz. Denn schnell wird es im Haus zu heiß oder die hohe Sonne scheint zu grell in die Räume.“

Ein gesundes Maß
Mit der Sonne verhält es sich wie mit allen Dingen im Leben: Das gesunde Maß entscheidet. Petra Ruf ist Architektin in Hamburg. Sie hat sich auf möglichst ausgeglichene Wohnkonzepte spezialisiert und nutzt dafür beispielsweise die Prinzipien des Feng-Shui, um Häuser zu planen und zu bauen. „Diese chinesische Lehre sieht die Energie stets im Wechselspiel von Yin und Yang, also von zurückgezogenen und offenen Bereichen“,
erzählt sie. „Schon im Vorfeld der Gebäudeplanung sollte man die Ausrichtung des Gebäudes durchspielen und die verschiedenen Lebensbereiche berechnen.“

Zu Petra Ruf kommen vor allem Akademiker als andere Kunden, die in ihr neues Wohnhaus gerne auch ein Büro oder eine Arztpraxis integrieren wollen. „Wenn der Bauherr viel Besuch und Publikumsverkehr wünscht, kann man den Eingangsbereich sehr offen und energetisch einladend gestalten“, nennt die Architektin ein Beispiel. „Wer sich lieber zurückziehen möchte, weil er oder sie ohnehin den ganzen Tag im Rampenlicht steht, wird ein geschlossenes Konzept mit einer hohen energetischen Schwelle bevorzugen, die gestalterisch schon im Vorfeld ausgelegt werden kann. Auch Petra Ruf empfiehlt: „Wo viel Betrieb herrscht, sollte man sonnenerfüllt bauen. Die Schlafräume richte ich meistens nach Norden aus, sie können kühler und dunkler sein. Dort sucht der Mensch Ruhe, nicht die Aktivität.“ Gegenpole für die Ruhe Freiräume und Gegenpole für die Ruhe wechseln sich ab. Auch beim Interieur setzt die Architektin auf klare und einfache Formen aus dem Feng-Shui: „Ruheräume sollten möglichst leer sein. Oft werden die Schlafzimmer als Abstellräume missbraucht oder mit Schränken für die Wäsche vollgestopft. Das schafft Probleme, weil keine echte Entspannung aufkommen kann.“

Yin und Yang, Schatten und Licht, passiv und aktiv, Kühle und Wärme: Die Balance entscheidet. Um die Wärme und das Licht der Sonne in einem Wohnhaus optimal und lebensfördernd zu nutzen, müssen transparente Flächen, Ausrichtung und die Baumaterialien optimal aufeinander abgestimmt sein. „Für die Wärme ist es wichtig, dass man große Massen einsetzt“, meint Axel Jäger. „Sie laden sich tagsüber mit Sonnenwärme auf und geben sie am Abend sanft ab.“ Er rät zu dickeren Innenwänden gegenüber der Fenster oder zu Raumteilern aus Lehm. Der natürliche Baustoff passt ideal zur Sonne, denn er nimmt die Wärme auf, kühlt dadurch den Raum und gleicht auch Defizite in der Feuchtigkeit aus.

„Ein Fliesenboden oder besonders dicker Estrich können auch als Sonnenspeicher dienen“, sagt Jäger. „Decken sollte man nicht abhängen, auch eine Innendämmung der Außenwände ist nicht ratsam, wenn man die Sonne nutzen will.“ Das Wärmedämmverbundsystem an der Fassade ist gleichfalls entscheidend: Mineralwolle kann wenig Sonne tanken, Dämmplatten aus Holzfasern hingegen viel mehr. „In der Glastechnik wird sich eine Menge tun, weil immer mehr Menschen mit der Sonne bauen“, ist sich der Architekt sicher.

Moderne Fenstergläser haben sehr geringe Durchgangskoeffizienten für die Wärme, damit kann man sogar in einem Passivhaus viel Licht einlassen. Spezialbeschichtungen lassen zwar das Sonnenlicht durch, blockieren aber die infrarote Wärmestrahlung. Petra Ruf meint: „Alle natürlichen Materialien sind geeignet: Terrakotta, Holz oder Ton. Bei Rottönen in Tonwaren muss man aufpassen, dass die natürliche radioaktive Strahlung niedrig ist. Teppichböden sind ebenfalls gute Speicher für die Sonnenwärme. Aber sie sollten wegen der Ausdünstungen auf der Rückseite keinen Schaumstoff haben. Besser ist Jute.“

Vorsicht: Sommerhitze!
Beide Architekten warnen davor, die Überhitzung heller Räume im Sommer zu unterschätzen. „Gegen die hohen und heißen Sonnenstände kann man einen großen Dachüberstand konstruieren, der ab einer bestimmten Uhrzeit die Fenster oder Türen zur Südterrasse beschattet“, schlägt Axel Jäger vor. „Oder man baut besondere Extras ein: Fenster, die sich mit Hilfe eines elektrischen Schalters abdunkeln. Es geht natürlich viel einfacher.“ Außenliegende Jalousien, die man von Hand oder elektrisch betätigt, verhindern, dass zu viel Wärme in die Räume kommt. „An heißen Tagen nützen Stores oder Lamellen innen kaum etwas“, erläutert Axel Jäger. „Denn wenn die Wärme einmal in den Räume ist, ist es zu spät. Dann braucht man Technik zur Klimatisierung und Kühlung.“ Oft sparen Bauherren am falschen Ende, wie Petra Ruf berichtet: „Der Sonnenschutz ist meist das erste, was gestrichen wird. Das rächt sich.“ Die Architektin ist wie ihr hessischer Kollege auch als Energieberaterin tätig, obendrein ist sie Baubiologin und ist Mitautorin des umfassenden „Feng Shui Lexikons“.

Sie hat das gesamte Gebäude im Blick – über das ganze Jahr hinweg. „Gerade an heißen Sommertagen sucht man im Haus nach kühlen Orten. Die Wärme der Sonne will man vor allem im Winter nutzen, wenn es draußen kalt und düster ist.“ Deshalb sollte man die transparenten Flächen so planen, dass die tief stehende Sonne am Morgen, am Abend oder im Winter ihre Energie ins Gebäude tragen kann. „Wenn die Sonne zu hoch steigt, blendet sie stark“, nennt Petra Ruf einen weiteren Aspekt, der oft unterschätzt wird. „Das ist unangenehm. Deshalb empfehle ich immer, auch reflektierende Wände oder die Lichtreflexionen von Solartechnik auf dem Dach des Nachbarn in die Planung einzubeziehen.“ Nicht nur direkte Sonne macht sich durch grelles Licht bemerkbar. Die weiß verputzte Garage neben der Terrasse oder ein exponierter Sonnenkollektor aus Glas auf dem Dach wirft das Sonnenlicht zurück und vervielfacht dadurch die Hitze. „Das ist kein Problem, wenn man sich dieser Gefahren bewusst ist und entsprechend durch Verblendungen, Hecken oder andere Möglichkeiten des Schutzes reagiert“, meint Petra Ruf.

Wer ein Wohnhaus baut, plant für Jahrzehnte. In dieser Zeit verändert sich die Nutzung des Gebäudes: Die Kinder wachsen heran, verlassen das elterliche Heim. Vielleicht wird ein zweiter Büroraum benötigt oder die Praxis erweitert. Ein Anbau wird geplant oder der Ausbau des Kellers mit Sauna. Kurz: Die Gewohnheiten der Bewohner verändern sich, nicht selten auch das Umfeld und die Nachbarschaft. „Aus diesem Grunde muss ein Haus mitwachsen und sich mit seinen Bewohnern weiterentwickeln“, erläutert Ruf. „Auch das muss man bei der Planung beachten. Der Sonnenverlauf ist dabei immer mit im Spiel. Um das Gebäude an veränderte Ansprüche anzupassen, sollte man möglichst wenig Umbauten benötigen.“ Im Vorfeld des Baus – also bereits während der Planungsphase – ergibt sich daraus ein höherer Aufwand, vor allem für die Architekten. Petra Ruf beginnt schon beim Grundstück, das sie auf Wasseradern und energetische Störstellen untersucht. „Über einer Wasserader zu schlafen oder im Büro zu arbeiten, ist sehr ungünstig“, analysiert sie.

Feng-Shui einzubeziehen, macht die Planungen kaum aufwendiger. Denn die natürlichen Gegebenheiten des Baugrundstücks mit den Wünschen der Bauherrschaft in Übereinstimmung zu bringen, ist am einfachsten, bevor der Bagger die Grube auszuheben beginnt und der erste Stein gesetzt wird. „Erweist sich das Gebäude als gestört und gibt es Probleme, kann man die Ideen beispielsweise aus dem Feng Shui im Nachhinein meist nur mit erheblichem Aufwand umsetzen“, berichtet die Architektin aus ihrer Erfahrung. „Das kann teuer werden und ist oft mit jahrelangem Ärger verbunden.“

So wird aus der Sonnenanbetung leicht ein nervender Sonnentanz. Ein Beispiel: „Ich hatte einmal den Fall, bei dem eine Dampfsperre im Dach sich sehr ungünstig ausgewirkt hat. Für die Dampfsperre wurde eine alubeschichtete Folie verwendet, die das Muster bzw. die Auswirkung einer Wasserader in den Schlafräumen quasi spiegelte und so die ungünstigen Auswirkungen verdoppelte.“ Das Bauen mit der Sonne erhöht die Anforderungen an die Architekten und Planer, denn die Wünsche ihrer Kundschaft werden anspruchsvoller und komplexer. Petra Ruf und Axel Jäger propagieren seit Jahren, mit der Sonne zu bauen und zu leben. Dabei ist das Wissen um die Sonne und ihre Wirkung jahrtausendealt. Trotzdem hat das Zeitalter der Sonne im modernen Bauwesen erst begonnen.

Diesen Artikel verfasste Heiko Schwarzburger für das greenhome Magazin

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Eine Antwort

  1. 15. Februar 2011

    […] auf dem Hausdach zu installieren, der kommt an “Solar Feng Shui” nicht vorbei. Ein interessanter Artikel zu diesem Thema ist gerade bei greenhome.de veröffentlich worden, der Online-Ausgabe des gleichnamigen Printmagazins.Aufbau einer Solaranlage […]

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