Schön schräg
Ganz nach dem Motto Form follows function zeigt dieses Einfamilienhaus unweit der holländischen Grenze ikonischen Minimalismus. Und Minimal ist auch der Energieverbrauch.
Text: Dipl.-Ing. Bernd Niebuhr
Fotos: Burg+Schu, www.palldium.de
Der Minimalismus dieses Einfamilienhauses aus Kalksandstein in Rheine ist angelehnt an das architektonische Prinzip des amerikanischen Architekten Louis Henry Sullivan (1856–1924): „Form follows function“. Entsprechend verfolgte der ortsansässige Architekt Wolfgang Hofschröer einen ganz eigenen puristischen Ansatz. Es gibt keinen Raum, der nicht durch seine Funktion geprägt ist. So präsentiert sich die vom Bauherren geforderte Funktionalität in einer ästhetisch vereinfachten Architektur, die den Anspruch an das Skulpturale erfüllt.
Entscheidend war für den Bauherren Dr. Ernst Kratzsch eine klare und einfache Grundrissstruktur, die ein ebenerdiges, barrierefreies Wohnen und Leben ermöglicht. Hofschröer schuf dafür ein größtmögliches Spektrum an Räumen für unterschiedliche Nutzungen auf nur rund 6 m x 15 m Grundfläche.
Reduktion als Prinzip
Schon beim Betreten des Hauses wird man von der lichtdurchfluteten Wohnatmosphäre begrüßt und spürt die Reduktion auf das Wesentliche. Es gibt keine Eingangszone, keinen Windfang. Gleich hinter der rechts vom Eingang angeordneten Treppe, die ins Obergeschoss führt, befindet sich ohne Übergang das Herz des Hauses: der helle und offen gehaltene, komplexe Wohn-Ess-Koch-Bereich, der sich durch zwei gleich große, vierteilige bodentiefe Fenster-Tür-Elemente zum Garten öffnet. Er bietet genügend Raum für persönliche Rückzugsorte wie auch kommunikatives Miteinander, wobei die Wohnküche mit einer modernen Kochinsel als Empfangsraum dient und den familiären Lebensmittelpunkt bildet. Links vom Eingang ist der Privatbereich mit Schlafen, Bad und WC angeordnet, der die Forderung nach einem ebenerdigen Wohnen komplettiert.
Dach mit Effekt
Extravagant präsentiert sich das Obergeschoss als Pultdach mit einer Neigung von 19 Grad. Architekt Hofschröer: „Das Raumprogramm sah hier ein Gästezimmer mit Bad und Sauna sowie Technik-/Abstellraum vor, dass wir platzsparend unter einem Pultdach mit unterschiedlichen Deckenhöhen, Lichtverhältnissen und dem großzügigen Ausblick zum Garten sehr gut integrieren konnten. Darüber hinaus ist es statisch gelungen, die Dicke der Stahlbetondecke von 30 cm im Wohnbereich auf 20 cm für die Dachterrasse zu verringern, sodass auch der Zugang zur Terrasse barrierefrei ausgebildet werden konnte.“
Architektonisch bietet das Pultdach, allein schon durch seine markante Akzentuierung, einen sehr angenehmen Kontrast zum rechteckigen Erdgeschoss. Die besondere Ausstrahlung wird zusätzlich durch die seitliche Zinkblechverkleidung verstärkt, wobei der Stehfalz als gestaltprägendes Element parallel zur Dachneigung verläuft und die optische Wertigkeit des Hauses erhöht. Die Materialkombination löst damit die Flächigkeit der verklinkerten Fassade auf und rundet das außergewöhnliche Erscheinungsbild des Hauses wohltuend ab.
Minimal auch beim Energieverbrauch
„Unter minimalistischer Architektur verstehen wir, auch in den heizenergetischen und technischen Bereichen, möglichst einfache Lösungen umzusetzen“, so Architekt Hofschröer. Energetisch entspricht das Haus dem KfW Standard 55. Die Beheizung und Warmwasserbereitung erfolgt über eine zentrale Sole-Wasser-WärmePumpe. Des Weiteren sorgt eine kontrollierte Be- und Entlüftungsanlage für die hohe Energieeinsparung. Der Jahres-Primärenergiebedarf ist mit 40,91 kWh/m² berechnet. Der zulässige Höchstwert liegt bei 84,79 kWh/m².
„Als tragendes und nicht tragendes Mauerwerk haben wir Kalksandstein (von KS*- Bausystem) gewählt“, erklärt Hofschröer. „Zum einen sind es energetische Gründe. Die solare Wärme wird in den massiven Kalksandsteinwänden gespeichert und in Zeitintervallen wieder abgegeben, sodass die Räume über einen langen Zeitraum nachhaltig angenehm warm und behaglich bleiben. Zum anderen ist es der hohe Schallschutz, den der Kalksandstein sichert und der in einer Neubausiedlung wie dieser von großer Bedeutung ist.“
Auch die energiesparenden Konstruktionen folgen dem Prinzip der Einfachheit. Hier stehen die dreifach verglasten Fenster mit einem U-Wert von 0,86 W/m²K und die Kalksandstein-Außenwandkonstruktionen im Fokus. Die massive, zweischalige Außenwand im Erdgeschoss mit Kerndämmung und Verblender hat einen U-Wert von 0,20 W/m²K. Die Konstruktion mit der Zinkblechverkleidung und Dämmung – ergibt einen energieoptimierten U-Wert 0,17 W/m²K. „Die schlanke 15 cm Kalksandsteinwand kam uns sehr gelegen“, berichtet Hofschröer. „So konnten wir den 2,5 cm Flächengewinn – im Vergleich zu einer 17,5er-Wand – für die Anpassung an das gewünschte Wärmedämmniveau nutzen, ohne die Grundfläche des Hauses zu verringern.“
Auch von der planerischen und wirtschaftlichen Seite bietet das Bausystem mit seinen im Werk vorgefertigten Planelementen rationelle und praxisbewährte Lösungen. Hofschröer: „Wir konnten völlig losgelöst von Rastermaßen an unsere Entwurfsidee herangehen und sie verwirklichen, da die Passelemente exakt nach unseren Plänen gesägt wurden.“ Nach dem Sägen sind die Pass- sowie Standardelemente wandweise palettiert und Just-in-time auf die Baustelle geliefert worden, wo sie wirtschaftlich mit einem Versetzgerät und anhand des Wandverlegeplans korrekt vermauert wurden.
Mehr Informationen unter: www.ks-original.de