United Colours of Nature

Um Innenräume nachhaltig zu gestalten, eignen sich Farben und Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen besonders gut. Sie sind gesundheitlich optimiert, entlasten unsere Umwelt und sehen toll aus.

Nachwachsende Rohstoffe (Nawaros) werden vermehrt eingesetzt: zur Stromerzeugung, zum Heizen, für Dämmstoffe und auch für die Gestaltung des Zuhauses mit organischen Naturfarben und -putzen. Nawaros zu verwenden, hat viele Vorteile: die Bindemittel sparen Energie bei ihrer Herstellung – Leinöle beispielsweise benötigen im Vergleich zu petrochemisch basierten Bindemitteln nur wenige Prozent Energie. Ihre Produktion ist ressourcenschonend, mit geringen chemischen Stoffumwandlungen und mit guter Wiedereingliederung in den Stoffkreislauf: Sie sind weitgehend biologisch abbaubar und unproblematisch bei der Entsorgung. „Wandgestaltungen mit Naturfarben oder -putzen sind umweltfreundlich, strapazierfähig und unkompliziert“, befindet die Agentur für nachwachsende Rohstoffe. Zudem werden Farben und Putze aus Nawaros so rezeptiert, dass sie möglichst keine petrochemischen Schadstoffe enthalten und geringe Emissionen aufweisen. Sie haben eine besondere natürliche Ästhetik, die gerade in Verbindung mit moderner Architektur Akzente setzt.

Neue Richtlinie
Wir halten uns täglich lange in Innenräumen auf. Absolut gesehen durch die höhere Lebenserwartung sogar immer länger. Innenraumluft sollte deshalb möglichst sauber sein. Eine neue europäische Richtlinie, die Decopaint Richtlinie, minimiert die erlaubten Emissionen sowohl in wasserbasierten Farben als auch in Lacken. Stufenweise reduziert sie die Maximalgehalte leicht flüchtiger organischer Stoffe, sogenannte VOCs. In Deutschland wurde ihre letzte Stufe 2010 verordnet. Mit der Verordnung wird nicht nur der Umweltschutz, sondern auch der Gesundheitsschutz während der Verarbeitung und während der späteren Raumnutzung verbessert, bestätigt das Umweltbundesamt. Sie vermindert auch Emissionen, die die Innenraumluft noch nach der Verarbeitung verun reinigen können. Ein Aspekt der ganz entscheidend zur Wohngesundheit und dem unbewussten Empfinden einer Wohnsituation beiträgt.

Voll deklariert
Organische Produkte für Oberflächen sind komplex. Sie müssen eine Vielzahl an Eigenschaften aufweisen: hohe Deckkraft, robuste Oberfläche, Farbton- stabilität oder lange Lagerfähigkeit. Je komplexer sie sind, umso mehr Substanzen enthalten sie, die eher für die Produktion notwendig waren – Entschäumungsmittel zum Beispiel. So kommt es, dass eine Farbe ausgut 20 Bestandteilen besteht. Erdölbasierte Farben enthalten mitunter gesundheitlich kritische Stoffe. Je nach Dosis sind Weichmacher, Glycolverbindungen, Acrylate oder Polyurethane gesundheitlich gefährlich. Deshalb sind diese Stoffe auch in Produkten mit dem natureplus Siegel verboten. Aber auch Naturfarben können gefährliche Stoffe enthalten, beispielsweise Terpene. Ein möglicher Weg, gesundheitliche Komplikationen zu minimieren, ist die Volldeklaration. Damit bezeugen die Hersteller auch, dass sie genau wissen, was alles in ihren Produkten enthalten ist. Bei Zwischenprodukten, die sie zukaufen ist das nicht unbedingt immer der Fall – etwa bei gebrauchsfertigen Pigmentlösungen.

Besonders für Allergiker bringt eine vollständige Deklaration aller Bestandteile von Beschichtungen Sicherheit. Da sie in der Regel die Stoffe kennen, die schädlich für sie sind, können sie diese somit besser meiden. Prinzipiell kann man aus einer Volldeklaration herauslesen, wie ökologisch ein Produkt ist. Alleine das Vorhandensein einer solchen Deklaration zeigt, dass mit offenen Karten gespielt wird. Eine weitere Möglichkeit, gesundheitliche Komplikationen zu minimieren, ist der Verzicht auf Konservierungsmittel. Trocken gelieferte Produkte sind auch ohne sie haltbar. Dafür braucht man etwas mehr Zeit, um sie anzurühren und quellen zu lassen. Prinzipiell unterscheidet man trockene, wässrige und ölige Produkte mit jeweils besonderen Eigenschaften.

Auf den Leim gegangen

Trocken angeboten werden Lehm-, Kasein- und Leimfarben. Schon in Ägypten wurde Papyrus mit Tragant und Baumharzen bemalt. Heute wird als Leim überwiegend wasserlösliche Methylzellulose eingesetzt, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Baumwolle, Buchen- oder Fichtenholz hergestellt wird. Im Gegensatz zum historischen Leim ist sie ein schlechter Nährboden für Mikroorganismen wie Schimmel. Spröde Leimfarben müssen vorm Neuanstrich erst wieder abgewaschen werden. Auch Kasein aus Milch ist eine Art Leim, da es nach dem Aufschließen Klebekraft entwickelt. Meist wird es in Kalkkaseinfarben eingesetzt. Eine Neuentwicklung sind Kaseine aus Pflanzen. Dünn aufzutragende Lehmfarben und -streichputze enthalten ebenfalls einen Leim. Denn in solch dünnen Schichten kann Lehm nicht genügend binden. Alle Leimfarben lassen sich leicht verarbeiten und ausbessern, sind aber weniger robust als Dispersionsfarben.

„Sanfte“ Chemie
Robuster sind wässrige Naturharzfarben und -putze, da sie mehr Klebekraft haben. Auch sie ergeben eine matte und angenehme Oberfläche. Sie enthalten organische Bindemittel aus Nawaros, meist Pflanzenharze und -öle als Dispersion, geringe Mengen Lösemittel für die Harze und ätherische Öle zum Konservieren. Die Nawaros werden möglichst geringfügig chemisch umgewandelt, sodass sie gut wieder in den Stoffkreislauf eingegliedert werden können. Die Naturharzprodukte eignen sich für fast alle gängigen Untergründe bei Neubau und Sanierung, ausgenommen Lehm. Zudem dürfen sie nicht auf einen alkalischen Untergrund wie frischen Kalkputz oder Beton aufgetragen werden. Sie würden zersetzt werden, riechen und weniger abriebfest sein. Spezialqualitäten mit hohem Bindemittelanteil sind scheuerfest und haben einen latexhaften Glanz.

Spielraum für Gestaltung
Naturfaserputze mit Zellulose- oder Baumwollfasern als weiche Füllstoffe regulieren die Raumfeuchte und binden Luftschadstoffe, dämpfen Schall und verstärken die Behaglichkeit, da sie für eine wärmere Oberfläche sorgen. Sie lassen sich pastellig abtönen. Inzwischen gibt es auch feuerbeständige Spezialmischungen, die beispielsweise über offenen Kaminen eingesetzt werden können. Für eine Beanspruchung durch Wasser, Schmutz oder Abrieb ist die faserige Oberfläche von Naturfaserputzen kaum geeignet. Als konservierungsfreies Trockenprodukt sind sie leimgebunden. Als Fertigprodukt enthalten sie auch Naturharze.

Holz und Metall
Holz und Metall werden lackiert oder geölt. Wird Holz natürlich behandelt, bleibt es offenporig und kann positiv auf das Raumklima wirken. Aus Nawaros sind beispielsweise reine Leinölfarben und -lasuren. Sie benötigen
besonders dann viel Zeit zum Trocknen, wenn sie keine Sikkative enthalten. Werden Hölzer getönt lasiert, bleibt ihre Maserung sichtbar. Lackiert werden sie mit deckend pigmentierten Öllacken. Holzböden können versiegelt oder geölt und gewachst werden. Geölte Hölzer sind einfach auszubessern. Nachhaltig und gesund gestaltet werden nicht nur Oberflächen, sondern auch Architektur und unsere Städte. Die diesjährige Ausstellung „Post-oil-City“ in Berlin und Stuttgart machte darauf aufmerksam, dass heute der gesamte Lebenszyklus gesundheits- und umweltverträglich gestaltet werden muss.

Der Artikel wurde von Achim Pilz für das greenhome Magazin verfasst

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