Sanierung Renovierung Giftstoffe

Alles muss raus! Das ist nicht nur im Schlussverkauf eine beliebte Devise. Auch bei der Sanierung von Häusern wird wie wild weggeschmissen. Zu Recht, denn oft verbergen sich giftige Stoffe in der Bausubstanz.

Es ist vollbracht: Das Traumhaus ist gefunden. Die Lage passt, die Bausubstanz ist in Ordnung, die Raumaufteilung ideal. Gut, die Heizungsrohre sollten erneuert werden, der schäbige Parkettboden kommt raus, die PVC-Platten in der Küche sind längst aus der Mode und die Wellschindeln auf der Garage sind nicht gerade eine Augenweide. Aber das ist alles kein Problem, denn das meiste kann in Eigenleistung verbessert werden.

Ja, das ist richtig. Aber – Ja-aber-Sätze verheißen meist nichts Gutes – viele Baustoffe enthalten verbotene Zusätze. Was vor dreißig, vierzig Jahren Standard war, wird heute nicht mehr verarbeitet und gehört auf den Sondermüll. Asbest ist dafür ein gutes Beispiel. Asbest hat eine große Festigkeit, ist hitze- und säurebeständig, verrottet nicht, isoliert hervorragend und lässt sich bestens mit anderen Materialien vermischen, zum Beispiel mit Zement. Es wurde aufgrund all dieser positiven Eigenschaften in Massen verarbeitet. So weit, so gut. Asbest ist aber seit 1993 in Deutschland verboten. Dieses Verbot gilt inzwischen europaweit. Und das hat einen guten Grund: Beim Arbeiten mit Asbest werden Fasern frei, die sich in der Lunge festsetzen und zur sogenannten Asbestose führen können. Bei dieser Erkrankung wird das Bindegewebe der Lunge geschädigt. Atemnot, Einschränkung der Lungenfunktion, ja sogar Lungenkrebs können die Folgen sein. Seit 1970 ist Asbest als karzinogen anerkannt. Dies alles muss man wissen, bevor asbesthaltige Bauteile angefasst werden. Solange man Asbest in Ruhe lässt, passiert hingegen gar nichts. „Grundsätzlich kann ich nur empfehlen, vor dem Kauf einer gebrauchten Immobilie Fachleute heranzuziehen. Ein Ingenieurbüro, das auf Schadstoffe spezialisiert ist, käme in Frage. Denn die Schadstoffe, die in Häusern, die vor 1996 gebaut wurden, zu finden sind, müssen fachmännisch entsorgt werden. Ob zum Beispiel in Teppichböden aus natürlichen Stoffen Pestizide enthalten sind oder Leichtbauwände mit schädlicher Mineralwolle ausgekleidet sind – dies alles ist Sondermüll. Als Kaufinteressent will man ja auch das Investitionsrisiko vorab klären, damit es später keine bösen Überraschungen gibt“, so der Diplom-Geologe Dr. Norbert Schneider, Niederlassungsleiter des Ingenieurbüros SakostaCAU in Dreieich bei Frankfurt. Eine Fachfirma nimmt eine sogenannte Kernbohrung vor, wenn es zum Beispiel um den Bodenaufbau geht. Dadurch wird geklärt ob und wenn ja, welche Schadstoffe im Bodenaufbau vorhanden sind. Der Kunde erhält eine Kurzstellungnahme, die Klarheit schafft. Die Kosten für solch eine Begutachtung liegen bei rund 400 Euro. Wenn während der Sanierung belasteter Bauteile ein Entsorgungsfachbetrieb beauftragt wird, so sollte dieser Zertifikate über seine Qualifikation vorlegen. Fachnachweise sollten erbracht werden. Da der Hausbesitzer grundsätzlich in der Haftung ist, sind Wiegescheine von der Deponie, Quittungen und Stempel der Deponie zu verlangen. Dadurch ist der Auftraggeber immer auf der rechtlich sicheren Seite.

Hausbesitzer haftet
Es kann natürlich passieren, dass erst während einer Sanierungsmaßnahme das Thema Schadstoff aufkommt. So zum Beispiel wenn der Kellerboden neu gefliest wird und Beton und Estrich mit Teer angereichert sind. Hier werden vom Gesetzgeber spezielle Anforderungen an den Gesundheitsschutz gestellt, das sind unter anderem besondere Arbeitskleidung und Mundschutz. PVC-Platten sind häufig mit asbesthaltigem Kleber verarbeitet worden. Kommen diese Bodenplatten raus, ist Mundschutz unabdingbar. Der Hausbesitzer sollte sich von den beauftragten Fachbetrieben immer Nachweise über den Gesundheitsschutz für die ausführenden Handwerker geben lassen. Natürlich ist davon auszugehen, dass Fensterbauer beim Ausbau von Asbestzementfensterbänken wissen, welche Vorkehrungen zu beachten sind, in der Haftung ist aber der Hauseigentümer. Eine Ausnahme dieser Regel gibt es jedoch: Hat ein Architekt bei den Sanierungs- und Renovierungsarbeiten die Bauaufsicht, ist dieser auch haftbar zu machen.

Wird ein Zimmer oder der komplette Dachboden saniert und umgebaut, während man im Haus wohnt, gelten spezielle Vorschriften, abhängig von den Gefahrenstoffen, die man antrifft. Parkettböden können mit teerhal- tigem Kleber verlegt worden sein oder die Dachbahnen sind eventuell teerhaltig. Rührt man den Parkettboden nicht an, dann passiert auch nichts. Soll aber der alte Bodenbelag raus und neuer rein, ist der teerhaltige schwarze Kleber als Sondermüll zu behandeln und darf nicht in den gemischten Bauabfall gelangen. Dies gilt ebenfalls für das alte Parkett. Das heißt dann auch, dass neuer Estrich verlegt werden muss. Es handelt sich also nicht gerade um eine kleine bauliche Veränderung. Alternativ kann der Estrich mit dem Teerkleber aber auch verschlossen werden. Dies ist unter dem Aspekt der Wertbeständigkeit oder gar Wertsteigerung einer Immobilie allerdings nicht zu empfehlen. Seit 1991 gilt die Teerölverordnung, die eine Verwendung in Innenräumen generell verbietet (siehe auch Zeitleiste unten).

Farbe mit Formaldehyd
Ein weiterer Stoff, der sich in vielen Häusern findet ist Formaldehyd. In Spanplatten, Fertigparkett, Isolierschäumen, Mineralwolle, Farben und Lacken kann es enthalten sein. Es gibt bis heute kein Verbot; es existieren lediglich Grenz-, Richt- und Orientierungswerte für die Raumluft. Formaldehyd kann bei manchen Menschen Allergien, Haut- und Atemwegsreizungen auslösen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2004 Formaldehyd als „krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Durch fachkundige Raumluftmessungen lässt sich die Konzentration dieses Stoffes feststellen. Eine Vorgehensweise, die auf jeden Fall zu empfehlen ist, denn so erhält man Klarheit und weiß letztlich, was zu tun ist.

Sicherheit geht vor
Je nach Schadstoff müssen in bewohnten Häusern spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, bevor Baumaßnahmen starten. Dies gilt vor allem für Asbest, das auch in der Mineralwolle zwischen den Trockenbauwänden und in sogenannten Akustikdecken vorkommen kann. Hier sollten im bewohnten Haus kleine Abschnitte nacheinander saniert werden. Pro Raum muss ein Schwarzbereich, so der Fachausdruck, geschaffen werden, in dem sich ausschließlich Fachleute aufhalten dürfen. Ein Schott wird gesetzt, in den aus dicker Spezialfolie eine Tür mit Reißverschluss eingebaut wird. So abgeschottet, können Bodenplatten, alte und gefährliche Dämmstoffe im Trockenbau und Mineralwolledämmstoffe, die unter anderem der Trittschalldämmung in Fußböden dienen, entfernt werden. Seit 1. Juni 2000 ist der Verkauf von künstlichen Mineralfasern verboten. Dämmstoffe, die nach diesem Datum in den Handel kamen, gelten als nicht gefährlicher Abfall.

Nicht alles, was von oben kommt ist gut
Ein holzverkleideter Dachboden ist für viele etwas Schönes und strahlt Gemütlichkeit aus. Bei Häusern bis Ende der 1980er-Jahre besteht allerdings das Risiko, dass das Holz mit PCP (Pentachlorphenol) oder dem Holzschutzmittel Lindan behandelt worden ist. Speziell Lindan hat wegen seiner Nebenwirkungen für viele Schlagzeilen gesorgt. Lindan kann das Blutbild verändern, innere Organe schädigen, Nervenschädigungen hervorrufen und steht in dem Verdacht, krebsauslösend zu sein.
Aufgenommen wird es über die Atemwege. Da die Holzschutzmittelwirkstoffe nur in sehr geringem Umfang verdampfen, hat sich auf diese Weise eine hohe Belastung im Holz aufgebaut. Dies führt dann dazu, dass sich auch heute noch, drei Jahrzehnte nach der Ausbringung von PCP und Lindan, erhebliche Mengen an Rückständen in den behandelten Holzoberflächen befinden können. Bei großen Flächen im Wohnraum wie einer Deckenverkleidung aus Vollholzpaneelen oder Leimbinder kann es nach wie vor zu hohen Konzentrationen von PCP oder Lindan in Raumluft und Hausstaub kommen. Dabei sind Kleinkinder in besonderem Maße durch eine Innenraum-Belastung gefährdet, da sie beim Spielen stets auch belasteten Hausstaub durch Verschlucken aufnehmen. Hier sorgt eine Raumluftmessung, durch Fachleute vorgenommen, für wichtige Informationen. Solch eine Messung kostet circa 500 Euro pro Kubikmeter Raumluft. PCP ist übrigens seit 1989 verboten, Lindan seit 2006.

Kaufvertrag schafft Sicherheit
Nach EU-Verordnung seit 2004 verboten sind PCBs (polychlorierte Biphenyle). Das heißt, in allen Häusern, die vor diesem Zeitpunkt gebaut wurden, könnten sich die PCBs noch finden lassen. Sie dienen als Weichmacher für Lacke, Harze und Kunststoffe und wurden in Fugendichtungen eingesetzt, vor allem im Betonfertigbau. PCBs gelten als krebsauslösende und giftige chemische Chlorverbindungen. Der Verdacht auf PCB-haltige Fugendichtungsmassen leitet sich von der Bauweise, dem Ausführungszeitpunkt für den Bau, dem Zeitpunkt einer Erneuerung von Fugendichtungen sowie von gut geführten Bauunterlagen ab. Besteht ein Verdacht auf PCB-haltige Fugendichtungen, sind chemische PCB-Analysen der Fugendichtungsmassen grund- sätzlich dann angezeigt, wenn die Aufenthaltszeiten im Gebäude lange sind und das Gebäude viele Innenfugen aufweist. Ergeben die Analysen einen PCB-Gehalt im Prozentbereich, besteht die Möglichkeit er- höhter Raumluftbelastungen. Dann ist eine Raumluftanalyse angebracht. Eine sachgemäße Sanierung ist ratsam, wenn der PCB-Nachweis erbracht worden ist. Trotz all dieser Tests, Messungen, Nachweise ist eines besonders wichtig beim Kauf einer gebrauchten Immobilie: der wasserdichte Kaufvertrag. Der Verkäufer sollte garantieren können, dass das Haus ohne chemische Belastungen übergeben wird.

Von Gabriele Neimke für das greenhome Magazin

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3 Antworten

  1. Grundrecht Wohnen Bürgerinitiative sagt:

    LINDAN ist seit dem 01.09.2006 EU-weit verboten. Korrigieren Sie bitte Ihre Information. Wir übersenden Ihnen gerne unsere Recherche-Ergebnisse zum LINDAN-Verbot.

  2. HH sagt:

    Wir haben das geändert, vielen Dank für den Hinweis.
    greenhome Redaktion

  3. Weihtrager Michael sagt:

    Neuer Naturbaustoff als VOC Killer geoutet: http://www.holz-cluster.at/196_1614_DEU_HTML.php

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